Der Kräutergarten der Hildegard von Bingen
Die Deckengemälde in der Marienkirche zu Ortenberg
Die Marienkirche zu Ortenberg, ab 1385 bis um 1450 in ihre heutige Form
gebracht, birgt im Deckengewölbe ihrer dreischiffigen Halle einen
bisher wenig beachteten Schatz: In den Zwischenräumen
der Kreuzrippen erblüht ein wahrer Kräutergarten und
Blumenhimmel. Begleitet in den Zwickeln von »Wind und
Wetter«, verzieren Sonne und Mond die Schlusssteine. Die
Pflanzen, bunt und auf ihre charakteristischen Merkmale reduziert
dargestellt, dienen nicht nur der Zierde, vielmehr fügen sie sich
zu einem Bild der damals bekannten Blumen und Kräuter sowie des
mittelalterlichen Wissens um deren Heilkraft. Das Wissen um Heilwirkung
und Mystik der Pflanzen ist Jahrtausende alt. Gesammelt, geprüft,
niedergeschrieben und durch eigene Anschauungen ergänzt hat diese
Kenntnisse aber eine Klosterfrau: die Äbtissin Hildegard von
Bingen (1098 bis 1179) gilt als erste »Naturforscherin« und
»Ärztin«. Die Leistung der Benediktinerin liegt darin,
dass sie das Wissen über Krankheiten und Heilpflanzen aus der
antiken und frühklösterlichen Tradition mit dem der
Volksmedizin zusammenbrachte. Angaben über Wesen und Wirken von
Pflanzen und Edelsteinen hielt sie in ihrer »Naturkunde«
(Physika) schriftlich fest. Ein wissenschaftliches Medizinstudium gab
es nicht, und so war Hildegard ohne Vorbildung auf ihre eigenen
Beobachtungen angewiesen, um aus Pflanzen Heilmittel zu gewinnen.
Über 200 Kultur- und Wildpflanzen hat sie untersucht. Durch ihre
Denkansätze setzte sie neue Impulse. Viele der Visionen und
Ausführungen Hildegards sind uns heute fremd, da wir ihr
mittelalterliches Weltbild nicht mehr verstehen. Doch zählen wir
Hildegard von Bingen zu den großen Frauengestalten des
Abendlandes. Derzeit entsteht ein Garten mit
»Hildegard-Kräutern« auf dem Areal der Marienkirche.
Zum Namenstag Hildegards von Bingen berichtet Michael Schroeder am 17.
September 2008 um 19 Uhr in der Ev. Marienkirche Ortenberg vom Leben
der großen Mystikerin und Heilkundigen und unternimmt den Versuch
einer Deutung der gemalten Blumen und Kräuter im
Deckengewölbe der Marienkirche.
Michael Schroeder, geb. 1954 in Trier, studierte Klassische
Altertumswissenschaften und Kunstgeschichte. Er ist Autor zahlreicher
Bücher zur Kultur und Literatur der Antike sowie ein international
anerkannter Wappenkünstler.
Der Eintritt ist frei. Es wird um eine Spende für den Kräutergarten an der Marienkirche gebeten.
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